Kunstglaser nach 150 Jahren
wieder im Einsatz

von Roland Beck

Kunstglaser Willi Etzel beim Ausbau eines vom Hagel beschädigten Fensters in der Christuskapelle.


Von 1850 bis 1867 wurde die dritte Burg Hohenzollern nach Zerstörung und Zerfall der beiden mittelalterlichen Vorgängerbauten im Auftrag von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795 – 1861) wieder errichtet. Viele Handwerksmeister und Künstler der verschiedensten Zünfte brachten damals ihr Können ein. Einer von ihnen war Dr. Heinrich Oidtmann (1833 – 1890) aus Linnich bei Aachen. Der Landarzt entdeckte bereits als Student seine Liebe zu bunten Gläsern und gründete 1857 eine Werkstatl_files/bhz_design/img/content/aktuell_oidtmann_fw4.jpgtt für Glasmalerei, in der er Künstler aus Böhmen und Sachsen beschäftigte. Schnell erwarb sich die Oidtmann’sche Werkstatt landesweit einen guten Namen. Der endgültige Durchbruch kam alsbald mit einem königlichen Auftrag: die Ausstattung der Burg Hohenzollern mit Bleiglasfenstern. Neben den königlichen Repräsentationsräumen versah Oidtmann vor allem die evangelische Christuskapelle der Burg Hohenzollern mit prachtvoll bemalten Gläsern. Neben biblischen Motiven wurden hier auch heraldische Dar-stellungen thematisiert.


Knapp 150 Jahre später, am 6. August 2013, fegte ein Hagelsturm über Deutschlands Südwesten hinweg. Eisgeschosse in Golfball-Größe trafen auch zahlreiche Fenster der Burg Hohenzollern. tl_files/bhz_design/img/content/aktuell_oidtmann_hagel.jpgDen Burgherren Georg Friedrich Prinz von Preußen und Karl Friedrich Fürst von Hohenzollern bot sich ein trauriges Bild: unzählige Sprünge, Risse und Durchschläge in den wertvollen Gläsern wurden dokumentiert. Auf die Frage, wer diese Schäden fachgerecht reparieren kann, war glücklicherweise schnell eine Antwort gefunden. Denn die Firma Oidtmann von damals existiert nach wie vor. Mittlerweile in der fünften Generation von den Vettern Heinrich Oidtmann und Dr. Stefan Oidtmann geführt, hat die Werkstatt ihr Fachgebiet nicht nur beibehalten, sondern auch erweitert. Rund 20 Mitarbeiter beschäftigen sich täglich mit der Herstellung von neuen kunstvollen Fenstern, mit Glas-Mosaiken, mit dem Schutz empfindlicher Glasmalereien, mit der Untersuchung unterschiedlichster Probleme der historischen Glasmalerei und natürlich mit der Restaurierung historischer Bleiglasfenster. Darunter auch Willi Etzel und Rita Schavier. Etzel ist gelernter Kunstglaser und Glasmalermeister. Über 40 Jahre Erfahrung lässt er in seinen Beruf heute einfließen. Unter anderem lernte er auch bei französischen Glasmalern in Paris und Bourges. Seine Kollegin arbeitet seit 17 Jahren als Kunstglaserin, davon vier Jahre bei Oidtmann.
Seit Mitte Februar 2014 kümmern sich die beiden Experten um die beschädigten Bleiglasfenster der Burg Hohenzollern. Aber bereits bei der Vorbesichtigung stellte sich heraus, dass nicht nur die Hagelschäden der Reparatur bedürfen. Auch der Zahn der vergangenen 150 Jahre nagte an den kostbaren Scheiben und deren Rahmen und Simse. Da müssen etwa poröser Fensterkitt ersetzt oder gebrochene Bleiprofile ausgetauscht werden, um Schäden durch eindringendes Regenwasser zu vermeiden. Auf einigen Gläsern verzeichnete Etzel auch den Verlust der Farbaufträge, den es zu stoppen gilt.
Einen Teil ihrer Arbeit können Etzel und Schavier an Ort und Stelle verrichten. Mittels eines Gerüstes gelangen sie an die entsprechenden Stellen der hohen Kirchenfenster in bis zu acht Metern Höhe. Einige Fenster mussten jedoch komplett ausgebaut werden, um sie in der Oidtmann‘schen Werkstatt restaurieren zu können.
Die Firma Oidtmann nimmt sich aktuell ausschließlich den Hagelschäden an, welche von der Versicherung übernommen werden. Diese Reparaturen sollen bis Ostern 2014 fertig gestellt sein. Die darüber hinaus gehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der einzigartigen Fenster und zu deren Erhalt für die kommenden Generationen werden zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Für diese Kosten wird dann die Burg selbst aufkommen. Denn im Gegensatz zu den meisten Burgen und Schlösser in Deutschland befindet sich die Burg Hohenzollern nach wie vor in Privatbesitz und finanziert sich als mittelständisches Unternehmen selbst.

Weitere Informationen zur Firma Oidtmann gibt es hier.