Heute vor 30 Jahren:
Abschied von den Königen

von Roland Beck


Heute vor 30 Jahren

Auf Geheiß des damaligen Familienoberhauptes, Louis Ferdinand Prinz von Preußen, wurden am 17. August 1991 die beiden Königssärge von Friedrich dem Großen und dessen Vater, dem Soldatenkönig, von der Burg Hohenzollern mit einem Sonderzug vom Bahnhof Hechingen nach Potsdam rücküberführt. Zuvor waren die Sarkophage 39 Jahre lang in der evangelischen Christuskapelle der Burg Hohenzollern aufgebahrt. Nach einer langen Odyssee fanden die beiden Könige damals endlich ihre letze Ruhe.

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Die Odyssee der Könige

tl_files/bhz_design/img/Aktuelles/aktuell_2021_FII_Sterbesessel_Q.jpgKönig Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der Soldatenkönig, wurde nach seinem Tod 1740 in der Garnisonskirche zu Potsdam beigesetzt. Auch sein Sohn, König Friedrich II. von Preußen, besser bekannt als Friedrich der Große oder Alter Fritz, fand seine letzte Ruhe vorerst in der Garnisonskirche, nach dem er am 17. August 1786, heute vor 235 Jahren, mit 74 Jahren in seinem Sessel verstarb. Seinem Wunsch, bei seinen Hunden auf der Terrasse von Schloss Sanssouci beigesetzt zu werden, kam sein Neffe und Thronfolger, Friedrich Wilhelm II., nicht nach. Während des zweiten Weltkrieges wurden die beiden Königssärge erst in einem Luftschutzbunker in der Nähe von Potsdam, später in einem Salzbergwerk im Bernterode (Thüringen) in Sicherheit gebracht. Während der Besatzungszeit ließ das amerikanische Militär die Sarkophage in die Elisabethkirche nach Marburg (Hessen) bringen. Von dort ließ Prinz Louis Ferdinand von Preußen 1952 seine berühmten Vorfahren auf die Burg Hohenzollern überführen, wo sie 39 Jahre lang in der dortigen evangelischen Christuskapelle ruhten. Schon damals legte Prinz Louis Ferdinand das Versprechen ab, die Könige nach Potsdam zurückzubringen, sobald Deutschland wieder vereint sei. Dieses Versprechen löste der Prinz am 17. August 1991 ein: Friedrich der Große wurde 205 Jahre nach seinem Tod endlich seinem Wunsch entsprechend auf der Terrasse von Sanssouci bei seinen Windspielen beigesetzt. Der Soldatenköngig fand seine letzte Ruhe in der Friedenskirche.

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Zeitzeugen der Rücküberführung

tl_files/bhz_design/img/Aktuelles/aktuell_2021_Rudolph.jpgFlaschner Adolf Rudolph (Junior) erinnert sich gut an den 17. August 1991. „So viel Fernsehen, Polizei und Bundeswehr gab es vorher noch nie in Hechingen“, erzählt der 59-Jährige und schmunzelt: „Tausende von Schaulustigen säumten die Straßen. Alle wollten dabei sein, wenn der Alte Fritz vorbeifährt.“ Während er in der Unterstadt und am Bahnhof auf den denkwürdigen Umzug wartete, waren sein Vater Emil und sein Opa Adolf (Senior) auf dem Zoller, eingeladen von Prinz Louis Ferdinand persönlich, der Zeremonie auf der Burg beizuwohnen. Schließlich hatte sein Großvater 39 Jahre zuvor schon eine ganz persönliche Begegnung mit dem Alten Fritz. Als die Königssärge 1952 nämlich auf die Burg kamen, musste der Zinksarg Friedrichs des Großen repariert und dafür geöffnet werden. „Damit wurde mein Opa als Flaschnermeister beauftragt. Zusammen mit Erbprinz Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen, Georg Alexander Herzog von Mecklenburg und dem damaligen Burgverwalter Oskar Bernd war er einer von nur vier Personen, die einen Blick in den damals 166 Jahre alten Sarg werfen konnten“ erzählt sein Enkel. Natürlich sei sein Opa damals ständig gefragt worden, wie der Alte Fritz denn ausgesehen hätte. „Wia äwwel“, habe er dann immer geantwortet. „Mehr hat er damals nie verraten, weil er Prinz Louis Ferdinand aus Pietät darüber Stillschweigen versprochen hatte“, erzählt Adolf Rudolph. Erst, als 1986 zum 200. Todestag des Alten Fritz die Presse das Thema wieder aufnahm, gab er auf Erlaubnis des damaligen Burgverwalters Herbert Gehrs ein paar wenige Details preis. Etwa über die erstaunlich gut erhaltene Uniform, die Stiefel, die Lockenperücke und über die Nasenspitze des Königs, die wie bei einer Mumie etwas eingefallen gewesen sei.
Adolf Rudolph ist mit solchen Geschichten aufgewachsen und in dritter Generation als Flaschner auf der Burg tätig. Daher rührt natürlich auch sein enger Bezug zum Zoller, in Verbindung mit einem gewissen Stolz: „Welche Familie hat schon mit 200 Jahre alten Särgen zu tun, noch dazu die Särge von berühmten Königen?“ blickt der Hechinger zurück und resümiert: „Als die Särge abgeholt wurden, war es mir schon ziemlich wehmütig zumute. Die waren ja schon ein wichtiges Stück Zeitgeschichte und von großer Bedeutung für die Burg.“ 

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tl_files/bhz_design/img/Aktuelles/aktuell_2021_Linder.jpgAuch Sylvia Linder hat den Tag, an dem der Alte Fritz und der Soldatenkönig die Burg verließen, noch vor Augen. Damals arbeitete sie für das Unternehmen, das mit weißen VW-Bussen die Tagesgäste zwischen Parkplatz und Burg chauffierte. „An dem Samstag habe ich aber keine Touristen auf die Burg gefahren, sondern Soldaten und den Musikverein Hechingen“, erzählt die gebürtige Albstädterin. Als die Särge aus der evangelischen Kapelle getragen und im Burghof auf die Lafettenfahrzeuge der Bundeswehr gestellt wurden, standen die Soldaten Spalier und der Musikverein spielte auf. Danach setzte sich der Tross in Bewegung. „Vornedraus fuhr ein ZDF-Fernsehteam in einem weißen Mercedes, aus dessen Schiebedach heraus ein Kameramann filmte. Danach kam eine Motorradeskorte der Polizei in Dreiecksformation, dann die beiden Lafettenwagen mit den Särgen, danach der damalige Burgverwalter Herbert Gehrs in seinem silbernen Audi 200 und Prinz Louis Ferdinand als Beifahrer, dann kam noch ein leeres Lafettenfahrzeug, das die Bundeswehr offenbar sicherheitshalber als Ersatzfahrzeug dabei hatte. Und zwischendurch und drumherum wimmelte es von Polizisten, Kripobeamten, hektischen Reportern und Übertragungswagen verschiedener Fernsehsender“, erinnert sich Sylvia Linder.
Nach wie vor fährt Sylvia Linder mit einem VW-Bus den Burgberg rauf und runter. Allerdings ist sie seit 1993 direkt bei der Burg angestellt und zuständig für alle Fahrten außerhalb des Touristenverkehrs. Nach insgesamt über 30 Jahren auf und für die Burg denkt auch sie mit Wehmut an die Rückführung der Könige zurück: „Die Särge waren Teil der Burggeschichte und so bekannt, dass es sogar Postkarten davon gab.“

Heute, nach 30 Jahren, erinnert kaum noch etwas daran, dass die Königssärge 39 Jahre lang in der evangelischen Christuskapelle der Burg standen. Allerdings, so berichtet Angelika Brandt, Chefin der Besucherinformation der Burg, sei die Geschichte nach wie vor präsent: „Im Durchschnitt kommt das Thema ein bis zwei Mal pro Woche während den zahlreichen Telefonaten, die ich mit Burg-Interessierten führe, zur Sprache.“ Das bestätigt auch ihre Kollegin Christel Schermer, die seit vielen Jahren als Burgführerin auf dem Zoller arbeitet: „Die Frage nach dem Verbleib der beiden Särge taucht seitens unserer Besucher vor Ort fast täglich auf. Manche erinnern sich persönlich an die Zeit, als die Könige noch hier ruhten, und manche kennen die Odyssee vom Alten Fritz und dem Soldatenkönig aus den Geschichtsbüchern.“ Das zeige jedenfalls, da sind sich die beiden Burgmitarbeiterinnen einig, dass dieses Kapitel gleichwohl historisch bedeutsam und für viele Menschen persönlich bewegend ist.

Fotos: Burgarchiv (3), Sylvia Linder (3), Roland Beck (3)